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Ein Ende der vielfältigen kartellrechtlich zweifelhaften Eskapaden auf dem Rücken von Tankstellenpächtern und Autofahrern fordert der „Tankstellen-Interessenverband“ (TIV) in Berlin von der deutschen und europäischen Politik.
„Sowohl die EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera als auch das Bundeskartellamt müssen die Praktiken der Großkonzerne im Tankstellengeschäft stärker unter die Lupe nehmen“, so Verbandspräsident Peter Hengstermann in diesen Tagen im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin.
„Wir setzen auf die neue deutsche Wirtschaftsministerin“ sagt Verbandsgeschäftsführer Dr. Jochen Wilhelm. Er fordert Ministerin Katharina Reiche auf, an die Vorarbeit von Sigmar Gabriel anzuknüpfen, der als SPD-Wirtschaftsminister einer vorangegangenen großen Koalition und Schirmherr von Verhandlungen vor zehn Jahren für die Tankstellenbranche den prägenden „Verhaltenskodex für das Tankstellengeschäft“ durchgesetzt hatte.
Fragwürdige Marktpraktiken
Die einschneidenden Veränderungen auf dem Sprit- und Tankstellenmarkt der vergangenen Jahre treiben aus der Sicht des Verbandes in vielfältiger Weise fragwürdige kartellrechtliche Blüten, zum Schaden der Tankstellenpächter und der Autofahrer. Insbesondere die täglich vielfach schwankenden Spritpreise – so in der kürzlich veröffentlichten Zusammenfassung des Abschlussberichts zur Kraftstoff-Sektoruntersuchung moniert – sowie die vielerorts überhöhten Shop-Produktpreise an Tankstellen, gehen laut TIV auf fragwürdige Marktpraktiken der Konzerne zurück. Die Kartellrechtswidrigkeit im Shop sei gutachterlich belegt. Die Tankstellenpächter seien ebenso wie die Verbraucher Opfer dieser zweifelhaften Praktiken.
Das Kraftstoff- und das Shop-Geschäft der Tankstellen müssen in den Fokus der Politik rücken. In diesen Geschäftsfeldern würden die Konzerne ihre Marktmacht gnadenlos ausnützen. Kartellrechtlich betrachtet ereigne sich rund um die Tankstelle ein Ausplünderungseffekt zu Lasten von Tankstellenpächtern und Autofahrern. Es gehe um klassische Lockvogel- und Verwirrungspreise beim Sprit und um eine doppelte Wettbewerbsverzerrung beim Shopgeschäft. Dass die deutsche und europäische Politik dies sehenden Auges zulasse, sei höchst problematisch. Die Situation sei seit Jahren bekannt und verschlimmere sich, so der TIV in Berlin.
Rechtsweg als letzter Ausweg
Weil diese Entwicklung das freie Unternehmertum der Tankstellenbetreiber immer mehr einengt, sieht der TIV die Entwicklung mit Sorge. Schon im Jahr 2015 schrieb der Energie-Informationsdienst: „Es ist erstaunlich, dass die Tankstellenfirmen bei diesem wenig lukrativen Einkommen und bei nicht gerade geringer Fluktuation immer wieder Pächter finden, die bereit sind, „ihre“ Marke gegenüber dem Kunden mit der Motivation zu vertreten, die in einer beinharten Wettbewerbssituation nötig ist.“ Heute, zehn Jahre später, habe sich die Situation für die Pächter nochmals verschärft. „Die Verträge zwischen den Mineralölkonzernen oder Lebensmittelmultis und Tankstellenbetreibern sind oft reine Knebelverträge und erinnern an Leibeigenschaft“, so TIV-Geschäftsführer Dr. Jochen Wilhelm, „und wenn es derart dreist wird, bleibt nur der Rechtsweg“. Aktuell klagt der TIV gegen „Shell“.
Info: Zu HVO100
Was Sie wissen sollten
HVO100 ist lagerstabiler, verbrennt sauberer und ist klima- sowie umweltfreundlicher als herkömmlicher Diesel. Entsprechend ist auch sein Gefährdungspotenzial für Gewässer geringer. Gemäß der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) wird HVO100 daher in die Wassergefährdungsklasse 1 (WKG 1, schwach wassergefährdend) eingestuft; herkömmlicher fossiler Diesel hingegen in die WGK 2 (deutlich wassergefährdend) oder sogar WGK 3 (stark wassergefährdend), da er Aromaten enthält und schlechter abbaubar ist. Für die Tankstellenpächter bedeutet das weniger strenge Vorschriften für die Lagerung von HVO100 sowie für dessen Transport. Genaue Informationen enthält das aktuelle Sicherheitsdatenblatt des jeweiligen HVO-Produkts. HVO100 ist seit Mai 2024 in Deutschland offiziell zugelassen. Aktuell (Stand Mai 2025) wird HVO100 bundesweit an mehr als 450 Tankstellen angeboten, europaweit sind es ca. 5.750. (gh)
TIV-Forderung: Endlich Schluss
mit dem Sonntagswaschverbot
In manchen Bundesländern ist die Sonntagswäsche von Autos in Waschanlagen verboten, in anderen nicht. Eine einheitliche Logik sei nicht zu erkennen, obwohl es ökologisch auch von Seite der Umweltverbände unbestritten sei, dass die Autowäsche in Portalwaschanlagen ökologisch alleine sinnvoll ist. Zudem falle keine zusätzliche Sonntagsarbeit hierfür an. Die Tankstelle ist ohnehin personell besetzt und für die Autowäsche brauche es lediglich ein Chip, kein Mensch muss zusätzlich arbeiten. Ein Flächendeckendes Ende des Sonntagswaschverbot ist überfällig, so der TIV.
Text: Herbert W. Rabl