
Foto: Vusion Group
Trotz Innovationskraft bei den Anbietern ist die Branche beim Einsatz von digitalen Preisschildern an den Regalen noch etwas zurückhaltend.
Auch wenn man sie auf den ersten Blick oft gar nicht als solche erkennt, begegnen uns digitale Preisschilder in letzter Zeit immer häufiger. Vor allem große Supermarkt-Ketten testen und nutzen die „Electronic Shelf Labels“ (ESLs) zur dynamischen Preisauszeichnung, auch „Dynamic Pricing“ genannt. Mit überschaubarer technischer Hardware und wenig Ad hoc-Aufwand kann so auf unterschiedliche Kundenströme, Zustand der frischen Ware oder Vorgaben von Lieferanten reagiert werden.
Das klingt auch nach vielen Vorteilen für die Tankstellen-Branche und es liegt in der Natur der Sache, dass die Anbieter von ESLs das ganz genauso sehen. Gerade im Hinblick auf die Effizienz, wie Marco Braun, Vice President Sales DACH bei der „Vusion Group“ erläutert: „Unternehmen, welche auf digitale Regaletiketten umstellen, steigern ihre Flexibilität und verschlanken ihre Prozesse. Die Technologie ermöglicht es Tankstellen-Betreibern, Preisänderungen zentral, schnell und fehlerfrei in Echtzeit auf die Fläche zu bringen – besonders relevant bei wechselnden Angeboten oder saisonalen Aktionen. Die Store-Teams werden von zeitaufwändigen, manuellen Änderungen der Preise an den Regalen entlastet, was nicht nur Zeit erspart, sondern auch Personal-Ressourcen für beratungsintensive Aufgaben freisetzt. Gleichzeitig verbessern digitale Regaletiketten die Preistransparenz und sorgen für ein einheitliches Erscheinungsbild im Store. Ein Plus für das Einkaufserlebnis der Kunden.
Dem Kostendruck begegnen

Foto: OMS Retail
Auch zur Abfederung des aktuell hohen Kostendrucks kann die elektronische Preisauszeichnung offenbar ihren Beitrag leisten: „Unternehmen senken mit der Hilfe von digitalen Regaletiketten nicht nur Papier- und Druckkosten, sondern minimieren auch Auszeichnungsfehler, welche zu Umsatzverlusten oder unzufriedenen Kunden führen können“, so Braun weiter.
Und genau damit sind wir bei der alltäglichen Praxistauglichkeit, die für die Mitarbeiter vor Ort gegeben sein muss. Von der Vorbereitung bis zum Ziel macht der Fachmann vier mögliche Schritte aus: Die Festlegung des Preises etwa durch die Verkaufsleitung, die Preiserfassung für die Kassen-Software im Warenwirtschaftssystem, die Datenübertragung in sehr kurzer Zeit und die Endkontrolle durch die Technologie des Anbieters. Vorgänge, die sich in der täglichen Arbeit relativ schnell einspielen dürften.
Dennoch ist vorab natürlich eine gründliche Einführung der Mitarbeiter wichtig. Dazu Christoph Lange, Key Account Manager bei „OMS Retail“, dem Integrationspartner großer ESL-Hersteller in Europa: „Der Schulungsbedarf für ESL-Systeme variiert je nach Rolle innerhalb des Tankstellenbetriebs. Für das Stationspersonal als Endanwender sind kurze Schulungen in der Regel ausreichend. Die Bedienung ist grundsätzlich intuitiv gestaltet, sodass auch Mitarbeiter ohne technische Vorkenntnisse schnell damit zurechtkommen. Für die IT-Abteilung hingegen ist die Schulung umfangreicher. Die Konfiguration der Netzwerkkomponenten, Integration ins ERP-System und gegebenenfalls Anpassung von Schnittstellen erfordert je nach Systemlandschaft ein bis drei Tage Projektaufwand. Für interne IT-Teams bedeutet dies in der Regel eine vertiefte Einweisung und Support durch den ESL-Hersteller“.
Künstliche Intelligenz eröffnet weitere Möglichkeiten
Wenn es um technische Lösungen geht, kommt heute auch fast schon selbstverständlich die KI mit ins Spiel. Mit Vorteilen, wie Lange sagt: „Künstliche Intelligenz und Automatisierung können den Wert von ESL-Systemen erheblich steigern und neue Dimensionen der Preisgestaltung eröffnen. KI-gestützte Algorithmen analysieren historische Verkaufsdaten, Wettbewerberpreise und Marktbedingungen, um automatisierte Empfehlungen für dynamische Preisanpassungen zu generieren.
In Zeiten hoher Nachfrage wie etwa an Feiertagen oder an heißen Tagen können KI-Modelle vordefinierte Preisfenster aktivieren, während sie bei geringer Auslastung Rabatte zur Umsatzförderung vorschlagen, was besonders für Tankstellen mit ihrem Mix aus Laufkundschaft und Stammkunden relevant ist. Künftige Anwendungen umfassen auch das „Predictive Shelf Monitoring“ (etwa bei bevorstehenden Out-of-Stock-Situationen) und personalisierte Angebote mittels Gesichtserkennung oder Kundenbindungsdaten unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben“. Es tut sich also jetzt schon eine ganze Menge, was auch Jens-Michael Pohl, Senior Manager Technical Field Engineering bei „Panasonic Connect“ so sieht: „Im Bereich des dynamischen Pricing in Verbindung mit elektronischer Preisauszeichnung gibt es derzeit spannende Entwicklungen. Insbesondere im Hinblick auf die Integration in andere Systeme, die Preis und Margen optimieren. Ein bedeutender Fortschritt ist die Integration von KI-Lösungen wie „Fresh Markdown“, also einer automatischen Preisanpassungen für Lebensmittel, die das MHD erreichen. Dieses Konzept ermöglicht es, Verkaufsstrategien in Echtzeit zu optimieren. Wir setzen auf eine unabhängige Zusammenarbeit mit führenden Herstellern im ESL- und POS-Bereich, um maßgeschneiderte Systeme zu entwickeln, die exakt auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden abgestimmt sind. Des weiteren können Produkte, welche sich nicht optimal verkaufen, auch automatisch digital über ESL oder Shop Displays beworben werden“.

Foto: Vusion Group
Und damit sind wir wieder beim Store vor Ort und der Frage, für welche Tankstellen die elektronischen Preisauszeichnungen überhaupt gut geeignet sind. Marc Braun von der „Vusion Group“ hat da eine eindeutige Ansicht: „Digitale Regaletiketten sind besonders gut für Tankstellen geeignet, die regelmäßig ihre Preise oder Kampagnen anpassen müssen, zum Beispiel bei wechselnden Beschaffungskosten oder Sonderaktionen. Sie sind ideal für größere Tankstellenketten, da sie die Preisaktualisierung effizienter und schneller machen, was Zeit und Arbeitsaufwand spart. Aber auch kleinere Stationen können von digitalen Regaletiketten profitieren. Selbst bei weniger frequentierten Tankstellen helfen die elektronischen Labels, die Preise übersichtlich und professionell zu präsentieren. Sie erleichtern die Preisänderung, reduzieren den manuellen Aufwand und sorgen für eine moderne Optik, was Kunden positiv wahrnehmen. Insgesamt können digitale Regaletiketten also für jede Tankstelle eine sinnvolle Investition sein, um den Betrieb effizienter und kundenfreundlicher zu gestalten. Und Christoph Lange von „OMS Retail“ hat da auch eine ganz konkrete Idee: „Für den Tankstellen-Mittelstand können ESL-Preisschilder auch eine Möglichkeit darstellen, mit der Effizienz größerer Ketten zu operieren, während sie ihr unabhängiges Geschäftsmodell beibehalten können“.
Unternehmen sind in der Findungsphase
Eine Kurzumfrage unseres Magazins hat ergeben, dass die Unternehmen der Branche der ESL-Technologie zwar oft offen, aber auch noch etwas zurückhaltend gegenüberstehen. Das ist den individuellen Bedürfnissen, Einschätzungen und der Situation am Markt geschuldet. Bei den großen Unternehmen „Jet“ und „Aral“ kommen im Augenblick beispielsweise gar keine „Electronic Shelf Labels“ zum Einsatz, während etwa bei den bayerischen Mittelständlern „Allguth“ in Gräfelfing und „Maier Korduletsch“ in Vilshofen an der Donau eine künftige Einführung der ESLs im Shop-Bereich zumindest geprüft wird. Bei „Orlen Deutschland“ sieht man ESL jetzt schon als „zukunftsweisende Technologie mit enormen Potenzial“, und geht jetzt einen Schritt voran, wie Kai Frahm, Head of Category Management“ weiter erläutert: „Wir werden ESL in den kommenden Monaten in einem Pilotprojekt testen. Aktuell befinden wir uns in den finalen Verhandlungen mit potenziellen Anbietern, weshalb wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine weiteren Details nennen können. In der Vergangenheit stellten die hohen Investitionskosten eine Hürde dar, die eine wirtschaftliche Umsetzung erschwerten. Mittlerweile ist der Markt jedoch breiter aufgestellt und die Angebote haben sich deutlich verbessert“. Neben den Investitionskosten spielt auch die Zeit der finanziellen Amortisation eine wichtige Rolle. Hier nennen die von uns befragten Experten eine Spanne von 18 bis 36 Monaten, je nach Größe des Betriebs und Art der Nutzung der jeweiligen Systeme.
Text: Kai-Uwe Digel