Shop & Convenience – Tabak-Außenwerbung: Vorsicht, Klage!

Tankstellen, deren Tabakwerbung von außerhalb des Shops zu sehen ist, können verklagt werden. Die hier abgebildete Tankstelle ist nicht die betroffene, verklagte Tankstelle.
Foto: Gerhard Hörner

Wer für Tabakwaren Werbung macht, die außerhalb des Shops zu sehen ist, kann verklagt werden. So erging es einem Tankstellenunternehmer aus Fellbach. Wir erklären, welche Auswirkungen das Gerichtsurteil für ihn und seine Kollegen hat.

An den 1. August 2024 denkt Harald Müller (Name von der Redaktion geändert), Tankstellenunternehmer aus Fellbach, sicher nur ungern zurück. Denn an diesem Tag wurde ihm die „Außenwerbung für Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter“ verboten. Vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Das Urteil (Aktenzeichen: 2 UKI 2/24) geht auf eine Klage des Vereins „Pro Rauchfrei“ zurück. Der nach eigenen Angaben größte Nichtraucherverband Deutschlands hat sich der Mission verschrieben, „jegliche Form der Tabakwerbung zu verbieten und mit allen Mitteln dafür zu streiten“. Dazu gehören auch Klagen. Im speziellen Fall des Tankstellenunternehmers aus Fellbach gab das OLG dem Verein recht. Bei Zuwiderhandlung droht Müller ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro beziehungsweise eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.

Untermauert hatte „Pro Rauchfrei“ die Klage mit Fotos der Tankstelle vom 23. Februar 2024 um 16.31 Uhr. Sie zeigen einen Monitor, auf dem Werbetexte und -bilder für Tabakprodukte zu sehen sind. Allerdings war der Bildschirm nicht an der Außenseite des Schaufensters angebracht, sondern dahinter. Dennoch spricht das Gericht von „Außenwerbung“. Da diese im Außenbereich wahrgenommen werde, sei sie verboten. Durch das 2020 geänderte Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG). Damit wurde das Werbeverbot, das zuvor schon Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen, Internet und Sponsoring betroffen hatte, auf andere Bereiche ausgeweitet. Dazu gehört grundsätzlich „jede Werbung außerhalb geschlossener Räume einschließlich Schaufensterwerbung“ (TabakerzG, § 2). Seit 1. Januar 2022 gilt dies für herkömmliche Tabakerzeugnisse. 2023 kamen Tabakerhitzer hinzu, 2024 E-Zigaretten und Nachfüllbehälter. Der Gesetzgeber betrachtet das Verbot als geeignetes Mittel, um die Raucherquote zu senken und Minderjährige vor Tabakwaren zu schützen.   

Tankstellen als Fachhändler

Um zu klären, ob Tankstellenunternehmer Müller gegen das Gesetz verstoßen hat, befasste sich das das OLG auch mit einer Ausnahmeregelung: Diese gilt aber nur für Tabakfachhändler. Denen ist laut Paragraph 20a TabakerzG die Werbung an Außen- und Fensterflächen weiterhin erlaubt. Begründet wird das Privileg vom Gesetzgeber wie folgt: Der Fachhandel kennzeichne sich durch ein eher schmales, häufig sehr tiefes Sortiment sowie Beratung durch speziell geschulte Verkaufskräfte. Folglich wären diese Läden von einem Verbot der Außenwerbung für Tabakwaren viel stärker betroffen als Geschäfte mit einem gemischten Warenangebot. Dem Tabakersteller „BAT Germany“ geht die Ausnahmeregelung nicht weit genug. „Fachhandel kann nach Verständnis auch ein Geschäft sein, das sich auf Waren bestimmter Kategorien konzentriert, ohne ein Mischsortiment auszuschließen.“ Der „Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels“ (BTWE) hatte schon 2020 für eine klarere Definition des Begriffs „Fachhandel“ plädiert. Darunter sollten auch Geschäfte fallen, die ihren Umsatz überwiegend mit Tabakerzeugnissen, elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern machen. Wäre die Bundesregierung dem BTWE-Vorschlag gefolgt, was sie aber nicht tat, würden Tankstellen ebenfalls als Fachhändler angesehen. Schließlich generieren sie laut Branchenstudie des Bundesverbands Freier Tankstellen (bft) im Durchschnitt knapp 64 Prozent ihres Shop-Umsatzes mit Tabakprodukten.  

Eine Frage der Definition

Mit diesem Thema befasste sich das OLG jedoch nicht. Ebenso wenig gingen die Richter darauf ein, dass viele Tabakfachhändler traditionell auch Zeitungen und Zeitschriften verkaufen und „Lotto“-Annahmestellen betreiben. Stattdessen bestätigten sie die aktuell gültige Rechtsauffassung. Demnach ist „der primäre Zweck von Tankstellen die Versorgung der Bevölkerung mit Fahrzeugtreibstoffen“. Im Lauf der Zeit sei der Verkauf von Reisebedarf hinzugekommen. Daher könnten Tankstellen nicht als Fachhandelsgeschäfte angesehen werden. Außerdem habe der Fellbacher Stationär weder eine Spezialisierung nachgewiesen noch eine besondere Qualifikation seines Personals. Folglich entschieden die Richter, der Tankstelle Außenwerbung für Tabakwaren zu verbieten.

Dieses Urteil feierte „Pro Rauchfrei“ als Sieg. Mit der Schlagzeile „Großer Rückschlag für die Tabakindustrie – Tankstellen sind keine Tabakfachhändler“. Auf seiner Homepage schreibt der Verein zudem, dass er auch in Hessen und Bayern mehrere Stationen wegen „gesetzwidriger Außenwerbung“ abgemahnt habe. Weitere würden folgen. Damit rechnet auch Herbert W. Rabl, Pressesprecher des Tankstelleninteressenverbands (TIV). Ebenso wie mit dem nächsten Gerichtsverfahren. „Nach dem Erfolg vor dem Stuttgarter OLG kann ,Pro Rauchfrei‘ relativ risikolos weiter klagen.“ Ähnlich wie Rabl (siehe Interview) argumentiert Thomas Wohlkittel, Leiter der Rechtsabteilung beim Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche (BTG). Deshalb sollten Tankstellen „aufgrund der augenblicklichen Rechtslage auf Tabakaußenwerbung verzichten.“ Für bft-Geschäftsführer Geschäftsführer Stephan Zieger hingegen „verbietet der Respekt vor den Gerichten eine pauschale Empfehlung in eine oder andere Richtung“. Auch Lekkerland hält sich mit Ratschlägen zurück. „Unsere Kunden sind kompetente Shopbetreiber“, sagt Markus Oberwalleney, Vice President Buying and Category Management Tobacco and electronic value bei dem Großhandelsunternehmen. „Nach unserer Wahrnehmung gehen sie verantwortungsvoll mit den Werbemöglichkeiten um. Dabei legen sie großen Wert auf Jugendschutz.“

Werbung innerhalb des Shops

Auf einen weiteren wichtigen Punkt weist Zieger („Das OLG-Urteil ist eine Einzelfallentscheidung“) hin. „Für die standardmäßige Umsetzung der Werbung am Point of Sale sehen wir keine Änderungen der rechtlichen Situation.“ Das ist zweifellos richtig. Um unsere Leser nicht zu verunsichern, halten wir folgendes fest: Selbstverständlich dürfen Tankstellenunternehmer weiterhin Werbung für Tabakwaren machen. Jedoch nur innerhalb des Shops. Wird diese aber im Außenbereich wahrgenommen, ist Vorsicht geboten, weil dann Klagen drohen können. Flattert Tankstellenunternehmer eine Abmahnung ins Haus, rät BAT seinen Handelspartner folgendes: „Geben Sie keine Unterlassungserklärung ab, sondern setzen Sie sich umgehend mit uns in Verbindung.“


Interview

Herbert W. Rabl, Pressesprecher Tankstelleninteressenverband (TIV)

Logo: TIV

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat einer Tankstelle untersagt, Werbung für Tabakprodukte zu machen, wenn diese außerhalb des Shops wahrnehmbar ist. Wie bewerten Sie die Entscheidung, Herr Rabl?

Rabl: Aus Sicht unseres Verbands ist sie klar und nachvollziehbar. Deshalb können und werden wir nicht dagegen vorgehen. Auch wenn manche Betreiber das Urteil ärgern dürfte, stärkt es doch die Bedeutung der Tankstelle – als Teil des öffentlichen Raums, der gesellschaftlich als systemrelevant definiert wird.

Welche Empfehlung an Tankstellenunternehmer leiten Sie aus dem Urteil ab?

Rabl: Die Tankstellen stehen nun in der Pflicht, Werbung für klassische Zigaretten, E-Zigaretten und Tabakerhitzer einzustellen, die von außen wahrgenommen wird. Darauf müssen sie auch durch Berater von Mineralölgesellschaften, Tabakherstellern und Großhändlern hingewiesen werden. Allerdings gibt es keine Eile und keinen Stress. Es reicht, die Werbung Zug um Zug zurückzunehmen.

Halten Sie die OLG-Entscheidung aus Stuttgart für einen Einzelfall oder rechnen Sie mit weiteren Urteilen dieser Art?

Rabl: Der Verein Pro Rauchfrei, der in Stuttgart gegen den Betreiber geklagt hat, kündigte an, Tankstellen künftig stichprobenartig auf etwaige Außenwerbung für Tabakprodukte zu überprüfen. Weil wir im Zeitalter der Abmahnungskultur leben, kann es daher zu weiteren Klagen kommen. Für uns ist es sehr unwahrscheinlich, dass andere Gerichte von dem Urteil abweichen. Zum einen wurde die Entscheidung auf hoher Ebene gefällt, zum anderen ist dem OLG – soweit erkennbar – kein schwerer Rechtsfehler unterlaufen.

Herbert W. Rabl, Pressesprecher, TIV
Foto: TIV; Foto Vogt

Für Tabakfachhändler gibt es die Ausnahmeregel, dass sie auch auf Außenflächen werben dürfen. Laut OLG gehören Tankstellen aber nicht zum Fachhandel. Was sagen Sie dazu?

Rabl: Die Argumentation ist nachvollziehbar, zumal gesetzlich gefordert ist, dass nur ein Tabakfachgeschäft derlei Werbung machen darf. Das kann eine Tankstelle, trotz großer Zigarettenauswahl für sich nicht in Anspruch nehmen.

Tankstellen machen im Durchschnitt mehr als 60 Prozent ihres Shop-Umsatzes mit Tabakwaren. Rechnen Sie damit, dass Betreiber durch das Urteil Einbußen erleiden?

Rabl: Wir glauben nicht, dass Werbung auf dem Tankstellengelände wirklich viel bewirkt, abgesehen von neuen Produkten. Raucher gehen in erster Linie in einen Shop, weil sie wissen, dass sie dort ihre Marke bekommen. Aber noch einmal: Für die Tankstelle als Institution hat das Urteil eine positive Seite, weil die Tankstelle von den Richtern als öffentlicher Raum angesehen wird und damit als Teil der systemrelevanten Infrastruktur zu betrachten ist. Das hebt das Ansehen und ruft nach angemessen Verdienstmöglichkeiten für die Pächter und ihre Beschäftigten. Dieser Wink geht an die Mineralölgesellschaften.

www.tankstellenverband.org

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