Feature – Unternehmerin im Porträt: Christine Keslar-Tunder

Im Allgäu zu Hause“: In der Region ist das Familienunternehmen eine gesetzte Größe.
Foto: Keslar GmbH; Kees van Surksum

Unternehmerin, Netzwerkerin, Verbandsvorsitzende – Christine Keslar-Tunder ist in vielen Bereichen äußerst engagiert. Im November 2024 wurde sie an die Spitze des „Uniti Bundesverband EnergieMittelstand e.V.“ gewählt. Wir haben mit ihr gesprochen.

Als Christine Keslar-Tunder am 23. Juni 1969 geboren wurde, bereitete sich Neil Armstrong darauf vor, als erster Mensch den Mond zu betreten. Etwa einen Monat später war es dann so weit. „Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.“ Man kennt dieses weltberühmte Zitat. Christine Keslar-Tunder sagt: „Immer, wenn ich gefragt werde, wann ich geboren bin, kommt die Mondlandung ins Spiel. Ich erzähle dann gerne:  Neil Armstrong betrat den Mond und ich unsere Erde.“ 

Ein Schicksal, das womöglich sinnbildlich für ihren eigenen Weg steht, der geprägt ist von Aufbruch, Mut und Innovation. Christine Keslar-Tunder wächst in Kempten auf, eine Stadt im Allgäu mit heute etwa 70.000 Einwohnern. Den Dialekt der Region hat sie nie abgelegt – das leicht gerollte R, das etwas weichere K. Warum auch? Er unterstützt im Gespräch mit dem Fachmagazin „tankstelle“ ihre auffallend fröhliche und positive Art.

Ein Bär als Botschafter

Wenn man zu Neil Armstrong eine „Google“-Suche startet, findet man einige Kuriositäten. So wurde 2019 ein Teddybär aus seiner Kindheit für 3.100 Euro versteigert. Startet man eine Suche zu Christine Keslar-Tunder, wird es auch recht schnell „bärig“. Keslar-Tunder ist Geschäftsführerin des Unternehmens Keslar. Auf der Homepage erscheint der Claim „bärenstarke energie“, weiter heißt es: „Mein Bär – unser Markenbotschafter“. Der Bär, so erfährt man, ist seit mehr als zehn Jahren unumstrittenes Erkennungszeichen von Keslar. Und: „Im Jahr 2018 haben wir unsere Corporate Identity und das Corporate Design überarbeitet. In diesem Zuge haben wir auch die Relevanz unseres Bären geprüft und beschlossen, diesen zukünftig noch stärker in unser Corporate Image einzubinden.“

Die Keslars sind eine Unternehmerfamilie durch und durch. Vater Hans, ein Mann mit scharfem Gespür für den Markt, hatte sich in den 1980er-Jahren mit der Gründung seines eigenen Mineralölhandels selbstständig gemacht. Davor hatte er lange Jahre bei „Präg“ gearbeitet und dort vom Lehrling bis zum Gesellschafter eine beachtliche Karriere hingelegt. 1989 wagte er den nächsten Schritt und übernahm seine ersten fünf Tankstellen, die er mit „Avia“ als Partner betrieb. „Mein Vater hat die ‚Avia‘ damit in der Region stark gemacht“, wurde Christine Keslar-Tunder vor einigen Jahren in einem Beitrag zitiert.

Christine Keslar-Tunder übernahm den „Uniti“-Vorstandsvorsitz von Udo Weber, der heute Ehrenvorsitzender ist.
Foto: Uniti; Toni Hasselmann

Schon als Kind war Christine Keslar-Tunder mit der Welt der Tankstellen und des Energiehandels vertraut. Sie macht ihr Abitur, studiert dann in Augsburg, etwa 100 Kilometer von Kempten entfernt, BWL und lernt im Studium ihren heutigen Mann Ralph Tunder, der unter anderem als Professor für Wirtschaftswissenschaft wirkt, kennen. Irgendwann nach dem Studium rief dann wieder die Heimat beziehungsweise das Familienunternehmen, doch Christine Keslar-Tunder sollte zunächst einmal wichtige Erfahrungen sammeln. „Meinen ersten Job habe ich tatsächlich indirekt über ‚Uniti‘ bekommen“, erzählt sie. Ihr Vater war damals schon im Verband aktiv und nahm seine Tochter mit zu der Jubiläumsfeier eines Unternehmens, das „Uniti“-Mitglied ist. Man kommt ins Gespräch – und wenig später beginnt Christine Keslar-Tunder als Assistentin der Geschäftsführung eines Tankstellenunternehmens. Vom Allgäu geht es ins Rheinland, von Kempten nach Köln.

Das Kölner Unternehmen betreibt etwa ein Dutzend Tankstellen der Marke „Dea“. Christine Keslar-Tunder erinnert sich, dass sie dabei war, als „Dea“ in Hamburg für eine besondere Marketingkampagne ausgezeichnet wurde. Schon im Studium hat sie immer wieder Praktika in der Branche gemacht: „Ich habe so das Geschäft von der Pike auf gelernt.“ Christine Keslar-Tunder ist beim Umbau von Tankstellen dabei, sie geht die ersten Schritte der Digitalisierung in der Branche mit. Sie lernt viel über Heizöl, Kraft- und Schmierstoffe. Und vor allem lernt sie viele Menschen kennen. Bis heute – und das ist als „Uniti“-Vorsitzende nicht von geringer Bedeutung – setzt sie auf Networking und sagt von sich selbst, dass sie ein gutes Gespür für Menschen habe.

Während ihrer Zeit in Köln klopft der Vater an. Hans Keslar hatte damals die Möglichkeit, eine „Esso-Vertriebsgesellschaft“ in Kaufbeuren und Kempten zu übernehmen. Er sagt seiner Tochter, dass dies die Chance sei, mit eigenem Tätigkeitsbereich ins Unternehmen einzusteigen. Die Tochter sagt zu. Sie steigt 1996 ins Geschäft ein. Wenig später wird der Kaufvertrag für den „Esso-Mineralölhandel“ unterschrieben. Christine Keslar-Tunder gründet ihre eigene GmbH, führte die „Esso-Vertriebsgesellschaft“ im Allgäu und war plötzlich Unternehmerin. Mit der Zeit wuchs ihre Verantwortung. 2008 übernahm sie die Verantwortung für das Unternehmen komplett. Vorher galt es, gemeinsam mit dem Vater auch einige Krisen zu meistern. Die Einführung des Euros, der Preiskrieg in der Branche und der Tanktourismus stellen die Keslars zu Beginn des Jahrtausends vor große Herausforderungen. 2006 zieht sich „Esso“ aus der Region zurück. „Wir hatten dann keine Marke mehr, die wir nach außen vertreten durften“, erzählt Christine Keslar-Tunder. Doch die Keslars verzagen nicht. „Wir haben damals dann entschieden, Gesellschafter bei der ‚Avia‘ zu werden.“ Bis heute hält Christine Keslar-Tunder große Stücke auf diese Struktur: „Wir sind einer von 32 Gesellschaftern der ‚Avia‘. Wir können also gemeinsam die Geschicke der ‚Avia‘ mitbestimmen. Das ist ein großer Vorteil.“

Kontinuierliches Wachstum

Das Unternehmen Keslar wächst trotz der einen oder anderen Herausforderung über die Jahre kontinuierlich. „Wir expandieren immer dann, wenn sich in unserer Region eine Möglichkeit ergibt.“ Schon 2003 übernimmt Keslar das Mineralölgeschäft von „Shell“ im Allgäu, 2015 dann die Übernahme der Schmierstoffsparte der Firma Greiner. 2020 erfolgte einer der größten Wachstumsschritte in der Unternehmensgeschichte. Die Firma „Bantleon“ aus Ulm gibt ihr Energiegeschäft an Keslar ab. Und der jüngste Schritt wird auf der Homepage mit der Überschrift „Bärenstark auch in Füssen“ vermeldet: „Vor kurzem hat sich das Unternehmen Kuhn in Füssen entschieden, zum 01. Januar 2025 den Geschäftsbereich Brennstoffe und Gase an uns, die Firma Keslar in Kempten, einem langjährigen Geschäftspartner zu übergeben.“ Da ist er wieder, der Bär aus Kempten, der sich als solider Versorger in der Region erweist.

Die Produktpalette des Unternehmens ist heute beindruckend breit: Heizöl, Pellets, Schmierstoffe, Flüssiggas, Erdgas, Strom, Kraftstoffe, Tankstellen und AdBlue. „Unser Wachstum in den verschiedenen Bereichen kann nur funktionieren, weil wir in all unseren Bereichen großartige Leute im Team haben“, so Christine Keslar-Tunder. Seit etwa 13 Jahren ist Andreas Hausmann als Mitglied der Geschäftsleitung und Prokurist an Bord. Christine Keslar-Tunder betont, wie wichtig Hausmann mit seiner Erfahrung, auch als Vertriebsprofi, für das Unternehmen ist.

Viele Automatenstationen

Keslar betreibt heute elf Tankstellen, darunter viele „Avia Xpress“-Automatenstationen, versorgt die Region mit Heizöl, Schmierstoffen und modernen regenerativen Energielösungen – und bleibt doch ein klassischer Mittelständler mit familiären Werten.

Gründer Hans Keslar ist heute 93 Jahre alt. Bis vor wenige Jahre kam er noch regelmäßig ins Unternehmen. „Und dann hat meine Mutter irgendwann zu ihm gesagt: Hans, jetzt ist gut, jetzt kommst Du nach Hause“, erzählt die Tochter Christine Keslar-Tunder. Mit Stolz und Dankbarkeit blickt sie auf das zurück, was der Vater vor Jahrzehnten aufgebaut hat. „Durch meinen Vater ist mir klar geworden, dass ich Unternehmerin sein möchte. Mein Vater war immer, auch in schwierigen Phasen, positiv. Er hat nie gejammert.“

Früh in die Verbandsarbeit

Der Vater war es auch, der Christine Keslar-Tunder an die Verbandarbeit heranführte. 1995 besuchte sie ihren ersten „Uniti“-Verbandstag, 1997 wurde sie Beirätin im Verband. Von Anfang an ist sie vom Austausch und Miteinander in verschiedenen Gremien sehr angetan. 2012 rückt sie als zweite Frau in der „Uniti“-Geschichte in den Vorstand auf. 2024, als nach 12 Jahren die Ära von Udo Weber an der Verbandsspitze endet, tritt man Christine Keslar-Tunder heran. Diese berät sich mit ihren zwei Söhnen und ihrem Mann. „Meine Familie hat gesagt, ich solle die Chancen nutzen. Wann, wenn nicht jetzt?  Und nicht erst dann, wenn du eine Greisin bist“, erzählt sie schmunzelnd.

Und so ist sie seit einigen Monaten in verantwortungsvoller Position in einem Verband, der nach eigenen Angaben in Deutschland rund 90 Prozent des mittelständischen Energiehandels repräsentiert und in dem 70 Prozent der freien Tankstellen organisiert sind. Sie will als Vorsitzende bereits eingeschlagene Wege weiter konsequent verfolgen. Sie plädiert für Technologieoffenheit und betont, dass die Mobilität der Zukunft nicht nur rein elektrisch sein wird, sondern verschiedene Antriebstechnologien und regenerative Energien umfassen muss. Sie möchte auch die Familienunternehmen im Verband sichtbarer machen. Und letztlich geht es auch darum, weiterhin Gehör bei der Politik zu finden. Hier, also im Feld der Interessenvertretung, habe „Uniti“ in den vergangenen Jahren dank des Hauptgeschäftsführers Elmar Kühn eine beeindruckende Entwicklung hingelegt.

Die nächste Generation steht

Christine Keslar-Tunders Blick geht immer nach vorne. Ihre beiden Söhne studieren derzeit. Der eine Wirtschaftsingenieurwesen, der andere internationale BWL. Sie kann sich gut vorstellen, dass beide Söhne eines Tages in das Familienunternehmen einsteigen werden. Und dann möchte Christine Keslar-Tunder es ihnen ermöglichen, sich in eigenen neuen Tätigkeitsfeldern zu beweisen. Ganz so, wie sie es damals in ihren ersten Jahren bei Keslar machen durfte. Das klingt nach Aufbruch, Mut und Innovation.

Text: Dr. Tobias Romberg

Nach oben scrollen