
Foto: s-iQ Objekt GmbH
Dieser „Rat vom Experten“ erschien im exklusiven CLUB-Beitrag in der „tankstelle“ 08/2023. Der Beitrag war der vierte Teil der damaligen Ladenbau-Serie. Der Autor ist Volker Walz, Geschäftsführer der „s-iQ Objekt GmbH“.
„Darf es noch ein Kaffee sein?“ Wer erst beim Bezahlvorgang das Interesse des Tankkunden auf die anderen Angebote im Shop lenkt, der hat ihn erst am letzten Touch-Point erreicht – und dann ist es meist zu spät. Die Customer-Journey beginnt viel früher als in der Kassenzone. Wer das nicht erkennt, verliert den Großteil des Umsatzpotenzials. Die Customer-Journey, also der Weg des Kunden bis zum Kauf eines Produkts, steht im Mittelpunkt des Marketings für den stationären Handel. Ziel der Customer-Journey-Analyse und -Optimierung ist, eine möglichst gute Kundenerfahrung (Customer Experience) herzustellen, um aus ihnen möglichst loyale Kunden und vielleicht sogar begeisterte Botschafter zu machen.
Dieser Weg beginnt schon lange nicht mehr im Shop, sondern viel früher und an verschiedenen Ausgangspunkten, den Touch-Points. Oft sind diese Startpunkte heute digital und bieten damit hervorragende Möglichkeiten, frühzeitig mit dem Marketing zu beginnen. Sichtbarkeit, Wiedererkennung und Vertrauen aufzubauen, weit vor dem eigentlichen Kauf und weit nach ihm, ist entscheidend.
Die Costumer-Journey wird in vier Schritte gegliedert:
- Pre Store: die Aktivierung des Kunden durch relevante und kontextabhängige Ansprache
- To Store: alle Maßnahmen, die der zusätzlichen Aktivierung dienen
- In Store: das gesamte Einkaufserlebnis in der Wahrnehmung des Kunden
- Post Store: individuelle Ansprache des Kunden mit After-Sales-Elementen
Ein großer Spezialist für Datenanalyse in der Customer-Journey beschreibt die reale Herausforderung für den Betreiber von Tankstellen mit dieser Geschichte: „Emma ist VIP-Mitglied des Treueprogramms einer Tankstelle nahe ihres Wohnorts. Auf dem Weg zur Arbeit sieht sie eine neue Tankstelle und entscheidet, dort zu tanken. Als sie diese ansteuert, erhält Emma auf dem Bord-Computer ihres Autos eine Werbebotschaft der Tankstelle, die sie zumeist anfährt: „Jetzt tanken und eine kostenlose Autowäsche erhalten.“ Emma erinnert sich, dass sie am Tag zuvor über ihre Treueprogramm-App eine Zapfsäule an ihrer favorisierten Tankstelle reserviert hat. Ein Vorteil, der ihr gerade gelegen kommt, nachdem sie heute an beiden Tankstellen lange Autoschlangen gesehen hat. Während sie die gewohnte Tankstelle anfährt, zeigt die App auf ihrem Smartphone das Tagesangebot des dortigen Cafés an: Beim Kauf eines Kaffees erhält sie ein kostenloses Gebäckstück. Über den Bord-Computer ihres Autos bezahlt Emma vom Fahrersitz aus das Benzin und geht dann in den Shop, um sich ihren morgendlichen Kaffee zu holen.“
Kaufende in Pre-Phase erreichen
Welches Potenzial die Pre-Store-Phase für die Kundengewinnung bietet, hat die Maßnahme eines führenden Mineralölkonzerns in Großbritannien bewiesen. An allen Standorten wurden Kontaktinformationen, Öffnungszeiten, Zusatzleistungen, Social-Media-Profile und URLs überprüft und aktualisiert. Zudem wurden Standorte für lokale Suchanfragen ohne Markenbezug optimiert. Das Ergebnis: Die Zahl der Kaufenden, die über Google oder Google Maps ein Standortprofil der Mineralölgesellschaft finden, wurde um 223 Prozent erhöht. Zudem verbesserten sich die Kundenbewertungen: Die Zahl der Fünf-Sterne-Bewertungen stieg um 19 Prozent, während die Zahl der Bewertungen mit einem oder zwei Sternen um 5 Prozent zurückging.
In den Zeiten von Tank-Apps ist der Preis für private Nutzer ein oft entscheidendes Kriterium für die Auswahl der Tankstelle. Deshalb ist der Preismast nicht mehr so entscheidend. Warum aber nicht die exponierte Positionierung bereits nutzen, um auf ein Angebot im Shop aufmerksam zu machen? Warum nicht am Zapfpunkt die Wartezeit des Kunden nutzen, um mit Aufstellern oder kompakten Displays für Angebote zu werben? Statt der noch häufig verwendeten Stopper sind Displays an der Fensterfront zum Forecourt die bessere Alternative.
To-Store: Positionierung des Shops
Entscheidend für die To-Store-Customer-Journey ist die Positionierung und die Sichtbarkeit des Shops und Bistros bei der Anfahrt und beim Tanken. Deshalb ist zu empfehlen, die Fensterflächen möglichst freizuhalten, damit der Tankkunde das Angebot und die Aufenthaltsqualität wahrnehmen kann.
In-Store: Angebot wahrnehmen

Foto: s-iQ Objekt GmbH
Nun ist der Kunde im Shop. Mit wenigen Blicken muss er das Angebot wahrnehmen und sich orientieren können. Wenn möglich, ist die Kasse mit dem Backshop und Bistroangebot in Sichtachse zum Eingang zu positionieren. Bei Standorten mit einer hohen Frequenz an Busreisenden ist ein großer Walk-in-Cooler in direkter Sichtachse zum Eingang zu positionieren.
Weniger ist mehr. Das gilt auch für die Höhe der Verkaufsgondeln und der Regale. Wurden früher Regale mit 1,60 m Höhe eingebaut, sind nun Höhen von 1,40 m oder 1,20 m zu empfehlen. Dabei stehen die Gondelköpfe im Fokus der Kunden. Der Abverkauf und damit der Umsatz liegen bei Gondelköpfen wesentlich höher als bei einer Regalplatzierung. Diese sind ideal für Promotionen. In Deutschland werden rund 11 Prozent der Umsätze über Promotionen abgesetzt – Tendenz steigend.
Die Mehrzahl der Kunden ist offen für Spontankäufe. Dieses Potenzial lässt sich am PoS durch die hochwertige visuelle Ansprache nutzen. Ereignisgebundene Werbung mit digitalen Displays und digitaler Preisauszeichnung schafft für den Kunden unerwartete Kaufanreize. Mit der ereignisgesteuerten Werbung wird für den Kunden ein unerwartetes Überraschungsmoment geschaffen, das mit einem positiven Erlebnis verknüpft ist. Der Kaffee-to-go mit einem Brownie, das Menü im XL-Format oder ein Gutschein für den nächsten Einkauf bleiben in guter Erinnerung.
Die Kassenzone: dort entscheidet sich, ob die vielen Schritte der Customer-Journey erfolgreich abgeschlossen werden. Die Vielzahl der Angebote im direkten Blickfeld des Kunden überfordert viele: Süßes, Saures, Zigaretten und Waschaktionen konkurrieren um die Wahrnehmung. Warum nicht wagen, die Vielzahl von Varianten von Schokoriegeln und Kaugummis in den kleinteiligen Regalen auf die Top-Renner reduzieren und Platz für margenstarke Angebote machen: Bundle-Angebote, Backwaren, gekühlte Getränke oder Snacks.
Post-Store: Kundenbindung
Am letzten und entscheidenden Touch-Point sind neben der attraktiven Präsentation vor allem die Soft-Skills der Mitarbeitenden gefragt. Der potenzielle Kunde muss vor der Kasse meist warten und wird sein Geld los. Wer dann mit Empathie noch ein digitales 10-er-Abo für einen Kaffee verkauft, der ist am Ziel.