Alternative Kraftstoffe – Die Zukunft der Wasserstoffwirtschaft: Ein letzter Anlauf

Foto: H2Mobility/Jackzproductions

Der fast schon mantraartig angemahnte Hochlauf von Wasserstoff bleibt seit Jahren aus. Hat er überhaupt noch eine Chance? Der „Verein Deutscher Ingenieure“ (VDI) meint ja und nennt Bedingungen.

Wasserstoff wird als grüner Energieträger seit Jahrzehnten hochgelobt und gilt als unentbehrlich für die Energiewende. Im Markt angekommen ist er jedoch nie. Und das wird auch in naher Zukunft so bleiben. VDI-Direktor Adrian Willig bringt die aktuelle Situation auf den Punkt: „Wir sind meilenweit von unseren Zielen für die Wasserstoffwirtschaft entfernt.“ Stichwort Wasserstofferzeugung. Spätestens im Jahr 2030 will die Regierung eine Elektrolysekapazität von 10 Gigawatt (GW) in Deutschland aufgebaut haben. Diesen Zielwert hatte der damalige Wirtschaftsminister Robert Habeck im Juli 2023 genannt, als er die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie verkündete. Realistisch erscheint aktuell gerade mal die Hälfte. „Wir sind froh, wenn wir die 5 GW schaffen“, schätzt Michael Sterner, VDI-Energieexperte und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat.

Immer noch auf dem Weg

Die Bundesregierung hat das Thema Wasserstoffwirtschaft nach wie vor auf dem Schirm, und es ist im Koalitionsvertrag verankert. Aus diesem Grund hat der VDI im Frühjahr den „Zukunftsdialog Wasserstoff“ innerhalb der Initiative „Zukunft Deutschland 2050“ ausgerufen. Unter Federführung von Michael Sterner hat er untersucht, wie der Hochlauf doch noch gelingen kann. „Der VDI versteht sich als unabhängige Plattform für praxisnahe Lösungen. Wir haben erkannt, dass es aufgrund der Komplexität der Aufgabe einen ganzheitlichen Ansatz braucht. „Deshalb haben wir Experten entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingeladen, also Erzeuger, Netzbetreiber und Anwender, um die Bedingungen zu erarbeiten“, erklärt Willig.

Hürde Regulatorik

Hierzu ist es nützlich, sich zunächst die Hürden, die dem Hochlauf im Wege stehen, klar vor Augen zu halten. Das größte Hindernis sei, so Sterner, die rigide EU-Regulatorik. „Die EU würgt mit ihren Anforderungen jede Wasserstoff-Initiative ab. Sie sind so hoch, dass die Produktion schlicht nicht wirtschaftlich ist“, betont Wasserstoffexperte Sterner.  

Hürde Henne-Ei-Problem

Als zweites großes Hindernis sieht er das Henne-Ei-Problem: Potenzielle Nutzer zögern, auf wasserstoffbasierte Technologien umzusteigen, solange kein flächendeckendes Verteilernetz da ist. Investoren wiederum scheuen den Aufbau einer Infrastruktur und von Elektrolyseuren, solange die H2-Nachfrage stockt. Tatsächlich ist die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff kaum seriös abschätzen, ein H2-Netz nur teilweise vorhanden oder in Planung. „Wir benötigen Investitionen in Elektrolyseure und auf der Abnehmerseite verlässliche Abnahmezusagen. Beides hängt voneinander ab“, erklärt Sterner.

28 Einzelmaßnahmen

Den Experten war klar: Aufgrund des beschriebenen „Henne-Ei-Problems“ und den Wechselwirkungen zwischen den Wertschöpfungsstufen bringen Einzelmaßnahmen wenig.

Stattdessen sind mehrere Maßnahmen zu kombinieren. „Summa summarum haben wir zwei Maßnahmenpakete vorgeschlagen, mit denen wir den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft beschleunigen können“, erläutert Willig.

Das erste Maßnahmenpaket dient dazu, die Erzeugung von grünem Wasserstoff zu fördern und ihn wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Energieträgern zu machen. Mit dem zweiten Paket soll die industrielle Nachfrage angekurbelt werden, etwa durch den Aufbau eines Handels mit grünem Wasserstoff. Die Empfehlungen der insgesamt 28 Maßnahmen umfassen Steuervergünstigungen, gezielte Förderinstrumente wie Differenzkostenmodelle bis hin zu einer Weiterentwicklung der THG-Quote und Grüngasquote.

Die Gretchenfrage lautet aktuell: Wie hält es die Bundesregierung wirklich mit der Wasserstoffwirtschaft? Ein erstes Signal ist gesendet. 40 neue Gaskraftwerke sollen her. Und eine verpflichtende Umstellung auf Wasserstoff soll entfallen. Ein klares Bekenntnis zum Wasserstoff sieht anders aus.

Bremsklotz EU

Die EU erarbeitet gerade ein Gesetz, das die Produktion, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff regeln und dabei vor allem den grünen Wasserstoff fördern soll. Drei Beispiele aus dem Entwurf zeigen, wie die EU über ihr Ziel hinausschießt.

  1. Die Grenzwerte für CO2-Emissionen, die Wasserstoff bei der Erzeugung maximal verursachen darf, um noch als „kohlenstoffarm“ zu gelten, sind zu streng. Dadurch wird die Nutzung von blauem Wasserstoff, also Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnen wird, nahezu unmöglich.   
  2. Der Strom zum Betreiben der Wasserstoff-Elektrolyseure darf nicht aus bestehenden Wind- oder Photovoltaikparks stammen, sondern muss in Anlagen produziert werden, die neu errichtet wurden (Kriterium der „Zusätzlichkeit“).
  3. Um das Stromnetz zu entlasten, ist die Wasserstoff-Produktion durch Elektrolyse zeitlich eng an die Stromerzeugung aus den erneuerbaren Anlagen zu koppeln (Kriterium der „Gleichzeitigkeit“). 
H2-Auto: es wird stiller

H2-angetriebene Autos bleiben Exoten auf den Straßen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden gerade einmal acht Brennstoffzellen-Autos neu zugelassen. Damit laufen von den rund 49 Millionen Pkw auf deutschen Straßen nur etwa 1.800 mit Wasserstoff. Entsprechend wird auch das Netz der Wasserstoff-Tankstellen dünner. Der Marktführer „H2 Mobility“ ist dabei, das Netz zu konsolidieren; bis Ende Juni dieses Jahres sind 22 Stationen geschlossen worden.

Und was machen die Pkw-Hersteller? Während BMW eisern bleibt und im Jahr 2028 sein erstes Serienfahrzeug mit Wasserstoff-Brennstoffzelle auf den Markt bringen möchte, haben alle anderen europäischen Autobauer inzwischen ihre Entwicklung von Autos mit Brennstoffzellen-Antrieb eingestellt. Lediglich „Hyundai“ und „Toyota“ bieten derzeit Brennstoffzellen-Modelle an.

Text: Dr. Georg Haiber

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