
Mittelständische Tankstellenbetreiber sehen sich durch eine wachsende Bürokratieflut zunehmend ausgebremst. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des „bft Bundesverband Freier Tankstellen und Unabhängiger Deutscher Mineralölhändler e.V.“ unter seinen Mitgliedsunternehmen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass administrative Hürden längst zum Standortrisiko für die Branche geworden sind.
Der Verband, der über 530 mittelständische Unternehmen vertritt, die tagtäglich Energieversorgung sicherstellen – in Stadt und Land, bei Tag und Nacht –, hatte im Sommer 2025 die Bürokratiebelastung in der Branche systematisch erfasst. Ziel war, die tatsächliche Wahrnehmung in der Branche zu erfassen und daraus konkrete Vorschläge für eine praxisgerechte Entlastungspolitik zu entwickeln.
92 Prozent bewerten Belastung als hoch oder sehr hoch
Die Rückmeldungen der befragten Unternehmen zeichnen ein eindeutiges Bild: 92 Prozent bewerten die aktuelle Bürokratiebelastung als hoch oder sehr hoch, 97 Prozent geben an, dass die Belastung in den letzten fünf Jahren zugenommen hat.
Besonders belastend wahrgenommen werden Dokumentationspflichten im Arbeitsrecht (z. B. Mindestlohn, Arbeitszeiten), IT- und Datenschutzvorgaben, Genehmigungsverfahren für Infrastruktur, häufige Änderungen von Vorschriften, diverse Berichtspflichten und das Eichrecht.
Bei Investitionen in Ladeinfrastruktur und Wasserstofftankstellen zeigte sich, dass nur ein Viertel der befragten Unternehmen Ladeinfrastruktur errichtet hat, während zwei Drittel darauf verzichten, meist aufgrund des bürokratischen Aufwandes, der Kosten oder der fehlenden Planbarkeit.
Besonders aufwendig bewertet wurden:
- Abstimmungen mit Netzbetreibern und Netzanschlussverfahren
- Antragstellung für Fördermittel
- Nachweisführung und Berichtspflichten im Rahmen der Förderung
- Genehmigungen bei Behörden
- Registrierung und Eichprüfungen
Netzanschlussverfahren: das Nadelöhr der Transformation
Von allen abgefragten Schritten im Prozess des Infrastrukturaufbaus wurde die „Abstimmung mit Netzbetreibern / Netzanschlussverfahren“ als aufwendigster Schritt mit einem Durchschnittswert von 4,6 von 5 Punkten („sehr aufwendig“) bewertet.
In zahlreichen Freitextkommentaren schildern Unternehmen monatelange Verfahren, unklare Zuständigkeiten und fehlende Ansprechpartner:
„Die Rückmeldungen des Netzbetreibers dauerten Wochen, und bei jedem neuen Ansprechpartner mussten wir wieder von vorne beginnen.“
„Es gibt keinerlei Fristen. Wir warten auf Kapazitätszusagen, ohne zu wissen, wann oder ob überhaupt etwas passiert.“
Viele Betriebe berichten, dass selbst kleine Projekte (z. B. zwei Ladepunkte) mehrere Monate Verzögerung erfahren, weil Bau- und Netzplanung nicht aufeinander abgestimmt sind. Das Netzanschlussverfahren wird damit zum Bottleneck der Energiewende.
Der „bft“ fordert daher bundeseinheitliche und digitale Netzanschlussverfahren mit verbindlichen Fristen (max. 12 Wochen), einem zentralen Ansprechpartner pro Netzgebiet und einer Transparenzpflicht der Netzbetreiber über verfügbare Kapazitäten.
Förderprogramme: zu kompliziert, zu riskant, zu kurz gedacht
68 Prozent der Befragten gaben an, keine Förderprogramme in Anspruch genommen zu haben. Dies geschah nicht aus Desinteresse, sondern weil Verfahren und Anforderungen als zu komplex beschrieben wurden. In den Freitexten finden sich zahlreiche Beispiele:
„Selbst kleine Formfehler führen zur Ablehnung – das Risiko ist zu hoch.“
„Die Fristen laufen ab, bevor die Genehmigung vorliegt.“
„Ohne Steuerberater oder Rechtsanwalt sind die Formulare kaum zu verstehen.“
„Wir wurden abgelehnt, weil ein Zwischenbericht zu spät kam. Das war das Ende des Projekts.“
Das Ergebnis: Programme, die Investitionen eigentlich fördern sollen, werden von den Betrieben gemieden, weil sie zu bürokratisch und unberechenbar sind.
Der „bft“ fordert daher ein einheitliches, digitales Förderportal mit standardisierten Formularen, automatischer Vorprüfung („Go/No-Go-Bescheid“) und realistischen Fristen sowie eine Flexibilisierung der Förderquoten nach Unternehmensgröße. Nur so kommen Fördermittel dort an, wo sie gebraucht werden.
Eichrecht und Preisangaben: Vorschriften ohne Maß
In den Freitextantworten zur Frage „Gibt es weitere Punkte, die Sie uns mitteilen möchten?“ tauchten wiederholt Eichrecht und Preisangabenverordnung auf. Mehrere Unternehmen berichteten, dass sie nach Installation einer Ladesäule wochenlang auf die eichrechtliche Abnahme warten mussten. In dieser Zeit blieb die Anlage ungenutzt:
„Die Säule war fertig, aber das Eichamt kam erst nach acht Wochen.“
„Die Preisangabevorgaben für Strom sind für kleine Betreiber nicht umsetzbar.“
„Wir haben investiert, aber können nicht abrechnen, weil die Software noch nicht eichrechtskonform zertifiziert ist.“
Diese Beispiele zeigen, dass selbst nach Bau und Installation der Betrieb durch veraltete und überregulierte Verfahren verzögert wird. Was als Verbraucherschutz gedacht war, ist in der Praxis zu einem Investitionshindernis geworden.
Der „bft“ fordert die Politik auf, sich für ein vereinfachtes Eichverfahren für kleine Ladeinfrastrukturbetreiber, eine Überarbeitung der Preisangabenverordnung für Strom und alternative Kraftstoffe sowie die Möglichkeit vorläufiger Betriebsfreigaben, bis die endgültige Eichung erfolgt ist, einzusetzen.
Größte Hürden liegen in der Verwaltung, nicht in der Technik
Die Rückmeldungen machen deutlich, dass die größten Hürden nicht in der Technik, sondern in der Verwaltung liegen. Netzanschlussverfahren, Förderanträge und Eichrecht stehen sinnbildlich für ein System, das gute Absichten durch schlechte Prozesse lähmt.
Bürokratieabbau als Standortaufgabe
Was die Mitglieder des „bft“ erleben, ist kein Einzelfall, sondern systemisch. Es existiert aktuell ein engmaschiges Netz aus Gesetzen, Nachweis- und Prüfpflichten, das in Summe Zeit, Geld und Innovationskraft bindet. Der Mittelstand braucht jetzt spürbare Entlastung.
Der „bft“ fordert daher:
- Die Einrichtung eines nationalen Bürokratie-Monitors, der Belastungen regelmäßig misst und veröffentlicht
- Die Einführung eines verpflichtenden KMU-Checks bei allen neuen Gesetzen und Verordnungen
- Die Abschaffung doppelter Berichtspflichten (z. B. im Arbeitszeit-, Energie- und Datenschutzrecht)
- Verlängerungen von Fristen und Standardisierung von Formularen zur administrativen Entlastung kleiner Betriebe
Genehmigungen beschleunigen – Planbarkeit für Investitionen schaffen
Der Aufbau alternativer Kraftstoffinfrastruktur wird massiv durch behördliche Komplexität gebremst. Unternehmen brauchen Verfahren, die planbar, digital und transparent sind.
Der „bft“ schlägt vor:
- Ein bundeseinheitliches Standardverfahren für Tankstelleninfrastruktur mit klaren Bearbeitungsfristen einzuführen
- Ein „One-Stop-Shop“-Prinzip mit einem zentralen Ansprechpartner pro Projekt einzuführen
- Die Digitalisierung von Genehmigungs- und Netzanschlussprozessen mit Status-Tracking aufzusetzen
- Verbindliche Maximalfristen für Behördenentscheidungen zu definieren
Förderprogramme mittelstandsfreundlich gestalten
Die Energiewende gelingt nur, wenn Förderinstrumente KMU-tauglich sind. Heute werden viele Förderprogramme nicht abgerufen. Nicht, weil der Wille fehlt, sondern weil der Aufwand überfordert.
Der „bft“ fordert insofern:
- Vereinfachte Antragsverfahren: weniger Dokumentationspflichten, digitale Portale, feste Rückmeldefristen
- Flexible Förderquoten nach Unternehmensgröße und Standort
- Verbindliche Förder-Vorprüfungen („Go/No-Go“) zur Planungssicherheit
- Realistische Umsetzungsfristen und klare Zuständigkeiten
Deutschland als Vorbild in Europa – Bürokratieabbau mit Glaubwürdigkeit
Während auf EU-Ebene derzeit 141 sekundäre Rechtsakte überprüft werden, sollen laut Kommissionsdokument (Stand Oktober 2025) nur zwölf tatsächlich entfallen können. Das zeigt, dass der Bürokratieabbau auf europäischer Ebene begrenzt bleibt.
Gerade deshalb muss Deutschland im eigenen Rechtsraum mit gutem Beispiel vorangehen, fordert der „bft“:
- Eine 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben ohne nationale Übererfüllung („Goldplating“)
- Eine systematische Überprüfung bestehender Regelungen auf Vereinfachungspotenzial
- Die Einführung eines Bürokratie-Folgenchecks bei allen nationalen Umsetzungsakten
- Den Export erfolgreicher Entlastungsmodelle in europäische Verfahren („best practice statt best paperwork“)
So stärkt Deutschland seine Glaubwürdigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands.
Bürokratieabbau ist Voraussetzung für Fortschritt
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen klar: Bürokratie ist längst nicht nur eine Zumutung, sie ist ein Transformationshindernis. Die Energiewende, die Digitalisierung und der Mittelstandserfolg hängen von effizienten, verlässlichen Strukturen ab.
Was die Branche jetzt braucht, ist Vertrauen statt Kontrolle, Vereinfachung statt Verkomplizierung, Mut zur Entlastung. Der Bürokratieabbau ist keine Nebensache – er ist Voraussetzung für Fortschritt.
Der „bft“ steht bereit, gemeinsam mit Politik und Verwaltung an praxistauglichen Lösungen zu arbeiten.


