Shop & Convenience – Non-Food neu denken: Vom Notkauf zum Nahversorger

Foto: Willy Laux

Das klassische Sortiment im Tankstellenshop braucht neue Impulse: Praktische, emotional ansprechende Non-Food-Angebote, saisonale Aktionswaren und flexible Preismodelle eröffnen Chancen für zusätzliche Erträge. Branchenexperten zeigen, wie sich das Segment gezielt weiterentwickeln lässt.

Deutschlands führende Fachmesse für Aktionswaren und Impulsartikel präsentierte sich zum 20-jährigen Jubiläum erneut als wichtiger Branchentreff. Über 5.200 Besucher und 280 Aussteller aus 21 Ländern lockte die „Internationale Aktionswaren- und Importmesse“ Mitte März 2025 nach Köln. Fachbesucher erlebten ein breites Sortiment verschiedener Trendprodukte und Sonderposten unterschiedlicher Warengruppen. Die einzigartige Plattform für Handelspartner und Sortimentsentscheider wollte neue Impulse setzen und lieferte wertvolle Anregungen zur sinnvollen Ergänzung des Non-Food-Sortiments. Auch für Tankstellenbetreiber werde das Thema Non-Food immer wichtiger und müsse strategisch mitgedacht werden, erklärte Sebastian Grosser, Managing Director Sales beim Großhändler „Brand Masters“. „Aktuell werden hier Chancen verpasst, weil viele Tankstellen das Potenzial des Segments noch nicht voll ausnutzen. Moderne Konsumenten schätzen Convenience und goutieren ein klar definiertes Angebot zu fairen Preisen mit Kundenloyalität.“

Bedarfsgerechte Produktauswahl

Laut Grosser sollten sich Betreiber bewusst für den Ausbau ihres Non-Food-Segments entscheiden und damit die notwendige Transformation zum praktischen Nahversorger vorantreiben. „Bieten Sie ein Kernsortiment aus hochwertigen Hygiene- und Körperpflegeprodukten an. Also beispielsweise jeweils drei Topseller aus Bereichen wie Deodorant, Shampoo, Duschspray und Cremes“, so Grosser. „Der Fokus auf ein relevantes Produktsortiment im Shop wird steigen. Convenience und Travel-Retail bieten die besten Zukunfts-Chancen für Tankstellen, welche durch schnelle Verfügbarkeit und gute Standorte punkten.“ Ein wichtiger Grundsatz für die Sortiment-Auswahl sei Sebastian Grosser zufolge die Konzentration auf direkt verwendbare Produkte und kleinere Größen und Abpackungen, auch mit Blick auf die wachsenden Anzahl an Singlehaushalte. So erfüllte beispielsweise Sonnencreme an heißen Sommertagen ei-nen für den Kunden direkt erlebbaren Nutzen.

Unterschiedliche Standorte

Mit Verweis auf zwei selbst durchgeführten Grundlagenstudien, erklärte Nico Eggers, Geschäftsführer von „Tollkühn Shoppartner“: „Drei von vier Tankstellenkunden zeigen sich grundsätzlich offen für den Kauf von Non-Food-Artikeln.“ Die Studien zeigten, dass Tankstellen zwar weiterhin hauptsächlich für Kfz-bezogene Services genutzt würden, jedoch auch Food- und Non-Food-Käufe zunehmend eine ergänzende Rolle spielen – meist spontan, bei fehlenden Alternativen oder außerhalb regulärer Öffnungszeiten. Immerhin besuche jeder zweite Kunde den Tankstellenshop gezielt für Food oder Non-Food, auch ohne vorherigen Tankvorgang. „In ländlichen Gebieten können Tankstellen oft eine Alternative zum Einzelhandel darstellen, auch für Kunden ohne Auto. Es besteht eine grundsätzliche Offenheit für ein vielfältigeres Non-Food-Angebot, insbesondere bei Stadtbewohnern“, so Eggers. Insgesamt gelte es die typischen Kaufanlässe nach Standort zu unterscheiden: So dominierten an Stadttankstellen gezielte „Ersatzkäufe“, während an Rasthöfen vor allem spontane „Notkäufe“ stattfänden. Impulskäufe seien an beiden Standorten gleichermaßen zu beobachten. Standortspezifische Besonderheiten bleiben daher entscheidend bei der strategischen Planung des Non-Food-Sortiments.

Reisebedarf und Hygiene

Angesichts der hohen Preisaufschläge auf Hygiene- und Körperpflegeprodukte an Autobahnraststätten, zeigte sich Frank Werm, Inhaber der „OSMA Werm GmbH“, verwundert. Mit seiner Marke „Elina“ möchte er eine preisgünstige Alternative zu etablierten Marken bieten. Im Sortiment finden sich klassische Verbrauchsartikel wie Zahnpflege, Duschgel, Deo, Seife, Wundpflaster, Menstruationsprodukte und Rasierbedarf. „Die Produkte sind gute Umsatzbringer, vor allem im Reisebedarf an Autobahnen. Aktuell noch wenig beachtet sind auch Maniküre-Sets erfolgreiche Absatzbringer, teilweise sogar effektiver als im klassischen Einzelhandel“, verriet Werm.

„Impulsware sollte viel stärker im Laufweg zur Kasse platziert werden – viele Sortimente wie Hygieneartikel stehen noch zu versteckt und verschenken dadurch wertvolles Umsatzpotenzial“

Frank Werm

Nico Eggers ergänzte: „Der Standard im Reisebedarf sind Nackenkissen, Ersatzbrillen und Sonnenbrillen. Der eigentliche Nutzen ist die schnelle Verfügbarkeit entlang der Reiseroute, vor allem für Berufskraftfahrer.“ Ebenfalls interessant sei die aktuell wachsende Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln und apothekennahen Gesundheitsprodukten. „Laktase- und Magnesiumtabletten sowie Vitamin- oder Meersalzspray zur Behandlung für unterwegs gewinnen weiter an Bedeutung, da somit viele Trucker den Umweg in die Apotheke nicht in Kauf nehmen müssen“, so Eggers.

Autozubehör und -pflege

Kfz-bezogene Produkte wie Autopflege, Zubehör und Beleuchtung gehören nach Presseerzeugnissen und Tabakwaren zu den meistgekauften Non-Food-Artikeln an Tankstellen. Besonders Vielfahrer und Tankkarten-Besitzer greifen häufig spontan oder bedarfsgetrieben zu. Die Verwendbarkeit der Verbrauchsprodukte direkt nach dem Kauf sorgt für den nötigen Impuls. Patrick Ginster, Verkaufsleiter Tankstellen und Car Wash bei „Sonax“, sah hier vor allem qualitativ hochwertige und optisch ansprechende Produkte vorn: „Die Produkte sollten sich klar differenzieren und einen Mehrwert bieten. Kunden greifen an der Tankstelle häufig zu Autopflegeprodukten, um ihr Fahrzeug schnell und unkompliziert nach dem Tanken oder Waschen zu pflegen“, erklärte Ginster. Da der Preisvergleich mit dem Einzelhandel oft entfalle, sollten standardisierte Sortimente gezielt durch aufmerksamkeitsstarke Neuheiten ergänzt werden. „Funktionalität ist dabei für den Kaufimpuls ebenso wichtig, wie emotional aufgeladene Designs und ein besonderes Dufterlebnis. Zu den erfolgreichen Sortimentssäulen zählen Scheibenreiniger, Felgenreiniger, Reifenglanz und Innenraumreiniger. Im Waschgeschäft können gezielte Zugabeaktionen mit Probiergrößen die Bereitschaft für höherwertige Autopflegen steigern und die generelle Kundenbindung fördern“, so Ginster.

Preisstrategie mit Augenmaß

Ein gewisser Preisaufschlag sei legitim, wenn Verfügbarkeit und Komfort stimmen, erklärte Nico Eggers. „Kunden akzeptieren höhere Preise auch bei Non-Food-Produkten, wenn sie mit Zeitersparnis und spontaner Verfügbarkeit einhergehen. Außerdem sollten bekannte Marken mit preisbewussten Alternativen kombiniert werden, um die gesamte Sortimentsbreite auszunutzen.“Einig war sich Eggers mit Sebastian Grosser, dass ein Preiswettbewerb mit dem Einzelhandel nicht das Ziel sein dürfe. „Etablieren Sie sich langfristig durch gute Auswahl und Qualität als bequeme Alternative, beispielsweise durch kleinere Verpackungsgrößen. Für den direkten Gebrauch sind diese oft praktischer. Zusätzlich fällt der Preisunterschied im Vergleich zum Einzelhandel nicht sofort auf, was die Preisschwelle positiv beeinflusst“, ergänzte Grosser.  Außerdem riet er, neue Möglichkeiten durch „Dynamic Pricing“ mit elektronischen Preisschildern zu prüfen. Die flexible Anpassung der Preise an Nachfrage, Tageszeit oder Standort werde international im Convenience- und Travel-Retail Sektor bereits erfolgreich eingesetzt und wird – sofern gut kommuniziert – auch von den Kunden akzeptiert.

Kreativität begeistert

Im hart umkämpften Convenience-Markt kann dem wachsenden Wettbewerb durch Smart Stores effektiv begegnet werden, wenn Tankstellen einige Neuerungen im eigenen Angebot integrieren. „Gerade in ländlichen Regionen bieten Vending-Lösungen großes Potenzial, um die Nahversorgung zu stärken – auch im Non-Food-Bereich. Smarte Technologien wie digitale Bezahlmethoden, und Telemetrie machen diese Verkaufsform nicht nur effizient, sondern schaffen auch ein modernes Einkaufserlebnis“, erklärte Sonja Klein, stellvertretende Geschäftsführerin des „Bundesverbands der Deutschen Vending-Automatenwirtschaft“. Non-Food-Produkte wie Ladegeräte, Reisekosmetik oder trendige Lifestyle-Artikel eigneten sich im Besonderen für den Verkauf über Automaten, so Klein. „Die technische Weiterentwicklung zu digitalen Verkaufsplattformen mit personalisierten Angeboten machen Vending-Maschinen zunehmend zum strategischen Werkzeug und bieten zudem die Chance, sich im Markt klar zu positionieren“, erklärte Frau Klein. Thomas Stephan, Geschäftsführer der „Stephan Tankstellen Gruppe“, hat gemeinsam mit „[das Pack]“ das Konzept der Mystery Packs entwickelt – eine innovative Idee, die wirtschaftliche und nachhaltige Aspekte vereint. „Retournierte Artikel werden in Form von „Überraschungspaketen“ als neue Warengruppe in Tankstellenshops angeboten – ohne das bestehende Sortiment zu kannibalisieren. Die Kombination aus Nachhaltigkeit, Überraschungseffekt und zusätzlichem Umsatz birgt viel Potenzial“, erklärt Thomas Stephan. Für den Verkauf stehen speziell entwickelte Verkaufsdisplays oder Vending-Automaten zur Verfügung. Laut Thomas Stephan setzen bereits über 200 Tankstellen auf das kreative Zusatzgeschäft. Zudem komme ein Teil der Erlöse der „Deutsche Knochenmarkspenderdatei“ (DKMS) zugute.

Saisonales und Emotionalisierung

In einem aktuellen Testlauf mit ausgewählten Tankstellen und einem Autohof erprobe „Tollkühn Shoppartner“ derzeit ein Shop-in-Shop-Konzept, verriet Nico Eggers zum Abschluss. „Die Idee besteht darin, regelmäßig wechselnde Produktsortimente mit saisonalem Bezug anzubieten. Im Fokus stehen wechselnde, saisonal relevante Produktsortimente – etwa Mückenschutz und Allergiemittel im Sommer oder Schminke zu Halloween. Die Ergebnisse waren durchweg positiv – sowohl in Berlin als auch im ländlichen Raum“, freute sich Eggers. Für die Zielgruppe stünden vor allem Bequemlichkeit, spontane Bedürfnisse und impulsstarke Anreize im Vordergrund. Obwohl Produkte wie Geschenk-Sets oder „Quengelware“ gesamtheitlich betrachtet einen eher kleinen Teil am Erfolg ausmachten, könnten spezielle Angebote durchaus Umsatz genieren. Emotionalisierende Impulsware, wie Namens- und Individualartikel (z.B. „Papa“, „Beste Freundin“) in Form von Tassen, Magneten oder Schlüsselanhänger, funktioniere an einigen Standorten sehr gut.

„Schnell drehende Konsumgüter sollten auch abseits des Tabakregals als Impulsware mehr in die Aufmerksamkeit der Kunden und Kaufläute rücken.“

Nico Eggers

Den Gesamterfolg des Segments beschrieb Eggers so: „Non-Food erbringt etwa 12 Prozent am Gesamtumsatz (ohne Tabakwaren) aber generiert trotzdem 45 Prozent des Deckungsbetrags. Laut Grundlagenstudie liegt die Bruttomarge im Non-Food-Segment mit rund 9 Prozent vergleichsweise deutlich über der Bruttomarge des Food-Segments mit etwa 2 Prozent.“

Text: Willy Laux

www.iaw-messe.de

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