Alternative Kraftstoffe – Trippelschritte in die Wasserstoffwirtschaft

Sie diskutierten auf dem 4. MCC-Kongress Mitte Oktober 2024 in Berlin: Sascha Grüner, Referatsleiter „Zugang zu Wasserstoff-/Gastransportnetzen, Versorgungssicherheit, EU-Angelegenheiten Gas“, Bundesnetzagentur; Dr. Stephan Krein, Programmmanager H2-Startnetz, ONTRAS; Raphael Börger, Consultant Political Affairs, Deutscher Wasserstoff-Verband; Caroline Schünemann, Bereichsleiterin Business Development & Mitglied d. Geschäftsleitung; Daniel Muthmann, VP Business Development, Höegh Evi; Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender, DWV – Deutscher Wasserstoff-Verband (v.l.n.r.).
Foto: Dr. Georg Haiber

Gemäß Klimaschutzplan muss Deutschland bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Daher gilt es, fossile Kraftstoffe und Energieträger wie Erdgas schleunigst durch Wasserstoff zu ersetzen – eine Mammutaufgabe. Worauf es jetzt ankommt, diskutierten die Teilnehmer auf dem 4. MCC-Kongress „Megatrend Wasserstoff“ Mitte Oktober 2024 in Berlin.   

Das Gelingen der Energiewende steht und fällt mit dem Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Darin waren sich alle Teilnehmer einig. Doch der Switch von Kohle, Öl und Gas zu Wasserstoff ist nicht im Hauruck-Verfahren zu erreichen, denn Hindernisse gibt es reichlich. So müssen sich die Akteure unter anderem mit restriktiver Regulatorik, überbordender Bürokratie und fehlender Investitionssicherheit herumschlagen. Doch wer sind die Akteure überhaupt?

Die Wertschöpfungskette

Um diese Frage zu beantworten, ist es nötig, die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten. Am Anfang der Kette stehen die Erzeuger, die aus grünem Strom und Wasser grünen Wasserstoff herstellen. Doch hier kommt der Wertschöpfungsprozess schon ins Stocken, weil zum Hochlauf ausreichende Mengen an grünem Strom da sein müssen, vor allem aber auch die Elektrolyseure, die den Wasserstoff letztlich produzieren. Ebenso wichtig ist es, das Gas sicher zu speichern und zu den Verbrauchern zu transportieren. Für den Transport gibt es drei Optionen: Erstens containerbasierte Lösungen, die sich beispielsweise zum Beliefern von Tankstellen im ländlichen Raum eignen. Zweitens Pipelines, die das Gas großflächig im Raum verteilen. Und drittens gibt es die On Site-Lösung. Dies setzt jedoch voraus, dass Produktion und Verbrauch eng beieinander liegen.  

In die Aktion kommen

Wichtig sei vor allem, so der Tenor der Veranstaltung, dass alle Akteure der Wertschöpfungskette rasch handeln. Darauf verwies auch Dr. Jens Mathiak, Head of Business Development & Sales für den Bereich grüner Wasserstoff bei „thyssenkrupp nucera“, in seinem Vortrag. Die Wasserstoffbranche stehe sich bislang oft selbst im Wege, weil jeder Akteur auf die Initiative des anderen warte: der Hersteller auf den Wasserstoffabnehmer, der Abnehmer auf den Hersteller. Beide wiederum sind auf ein leistungsstarkes Verteilnetz angewiesen, das derzeit jedoch erst entsteht.

„thyssenkrupp nucera“, das zu den weltweit größten Herstellern von Elektrolyseuren zählt, geht hier mit gutem Beispiel voran und baut Elektrolyseure in allen Größenordnungen für verschiedenste Märkte, unter anderem für die Wasserstoffherstellung in Südspanien sowie in Saudi-Arabien und die Stahlherstellung in Schweden.

Schlüsselrolle Speicherfunktion

Neben der Produktion spielt die Speicherung von Wasserstoff eine entscheidende Rolle. Tatsächlich kann das Gas sehr gut unterirdisch in Salzkavernen gespeichert werden. Dies möchte sich die Strombranche zunutze machen, wenn Wind- und Sonnenkraftanlagen mehr Strom produzieren als das Netz aufnehmen kann. Der überschüssige Strom wird dann zur Produktion von Wasserstoff genutzt, der sich in den Kavernen zwischenlagern lässt. „Auf diese Weise können die Wasserstoffspeicher die Stromnetze entlasten und für eine gleichmäßige Stromversorgung sorgen“, erklärt Caroline Schünemann, Bereichsleiterin Business Development & Mitglied d. Geschäftsleitung, „Storengy Deutschland GmbH“. Aktuell betreibt „Storengy“ in Deutschland sechs Erdgasspeicher, die für Wasserstoff umgewidmet werden können. Im Rahmen des Projekts „SaltHy“ entsteht derzeit einer der ersten Wasserstoffspeicher Deutschlands. Dafür wird der bestehende Speicher im niedersächsischen Harsefeld um zwei neue Kavernen erweitert. Ab 2030/32 bieten das Speichersystem Platz für rund 15.000 Tonnen reinen Wasserstoff. 

Das Kernnetz ist genehmigt

Doch wie kommt das Gas von dort zum Verbraucher, etwa einem Gaskraftwerk? Dies skizzierten Stephan Krein, Programmmanager H2-Startnetz, „Ontras“, sowie Raphael Börger, Consultant Political Affairs, Deutscher Wasserstoff-Verband in ihren Vorträgen. Klar ist: Für eine flächendeckende Versorgung ist ein Kernnetz nötig, das den Wasserstoff von den Importterminals und den heimischen Produktionsstätten und Speichertanks zu den Industrie- oder Gewerbeparks leitet. Dieses Wasserstoff-Kernnetz hat die Bundesnetzagentur Ende Oktober genehmigt. Es soll 9.040 Kilometer lang sein und bis 2032 sukzessiv in Betrieb gehen. Dabei sind rund 40 Prozent des Netzes neu zu bauen, die restlichen Verbindungen sind in Form von Erdgaspipelines bereits vorhanden. Allerdings sind diese Leitungen vor der Inbetriebnahme zu prüfen und bei Bedarf zu ertüchtigen.

Weitaus aufwendiger ist die Instandsetzung des 500.000 Kilometer langen Gasnetzes, das die regionale Versorgung sicherstellen soll. Mithilfe dieses Verteilernetzes müssen rund 1,8 Millionen Industrie- und Gewerbekunden, darunter Stadtwerke, an ein künftiges Wasserstoffnetz angeschlossen werden.

Die Sehnsucht nach Zuverlässigkeit 

Da die Zeit drängt, müssen die Betriebe schon jetzt planen, wie sie ihre Wärme- und Energieversorgung umstellen. Dafür benötigen sie Klarheit über Netzanschlussbedingungen, Kosten, Termine und Fristen. Genau hier hakt es gewaltig. Es fehlt schlicht die Rechtssicherheit, die für Investitionen unabdingbar ist. Aus diesem Grund ist der Plan, eine Wasserstoffpipeline von Norwegen nach Deutschland zu bauen, gestoppt und der Bau einer Pipeline von Dänemark nach Deutschland um mehrere Jahre verschoben worden. Bei derart großen Investitionen benötigen Unternehmen Investitions- und Planungssicherheit über Legislaturperioden hinaus, forderten die zahlreichen Verbandsvertreter.

Was sagen die Politiker

Die Botschaft scheint in der Politik angekommen zu sein. So plädierten Andreas Rimkus, MdB, Ausschuss für Klimaschutz und Energie, SPD und Oliver Grundmann, MdB, Wasserstoffbeauftragter, CDU in der Podiumsdiskussion mit Moderator Werner Diwald, dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff-Verbands für eine Grüngasquote, und beide treiben das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz voran. Auch bezüglich der Farbe von Wasserstoff, äußerte sich Grundmann klar. „Das Ziel ist grün – der Weg dorthin bunt.“ Will heißen: In der Phase des Hochlaufs ist jede Art von Wasserstoff recht, wenn er nicht gerade aus fossilen Energieträgern gewonnen wird.   

Mobilität und Wasserstoff?

Das passt. Besonders für den Schwerlastverkehr ist Wasserstoff eine Alternative zum elektrischen Antrieb, wie Volker Hasenberg, stellvertretender Leiter der Abteilung Regulierungsstrategie und Manager für Wasserstoffstrategie, „Daimler Truck“, in seinem Vortrag zeigt. Im Gegensatz zum E-Lkw kann ein wasserstoffbetriebener 40-Tonnen-Truck mehr als 1.000 Kilometer ohne Tankstopp fahren. „Das bringt den Kunden Flexibilität und Sicherheit in einem Geschäft, in dem jeder gefahrene Lkw-Kilometer zählt“, erklärt Hasenberg.

Gemeinsam mit Linde hat „Daimler Truck“ auch eine neue Technologie entwickelt, mit der sich ein Lastwagen in 10 bis 15 Minuten mit flüssigem Wasserstoff betanken lässt. Schneller geht es beim Diesel auch nicht. Die erste Tankstelle dieser Art ist seit Anfang 2024 in Betrieb; sie steht in Wörth bei Germersheim.

Politische Hebel für mehr Wasserstoff

Die Grüngasquote

Die Quote würde Erdgaslieferanten verpflichten, ihren Kunden neben Erdgas auch „erneuerbare Gase“ zu liefern. Deren Anteil soll jährlich steigen, bis das fossile Erdgas letztlich komplett ersetzt ist.

Der CO2-Preis

Zahlreiche Tagungsteilnehmer sprachen sich für einen höheren CO2-Preis aus. Dieser liegt aktuell bei 55 Euro pro Tonne.  

Das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz

Das Ende 2024 beschlossene Wasserstoffbeschleunigungsgesetz soll den Auf- und Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur ankurbeln. Vor allem die Genehmigungsverfahren sollen schlanker und schneller werden.

Text: Dr. Georg Haiber

www.mcc-seminare.de/mcc_veranstaltung/megatrend-ws-2024

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